Unterwegs C
3. Zwischenstation
immer wieder
wähne ich im Lächeln
einer mir Unbekannten
lediglich den Schimmer
einer Vergangenheit
die mich entgleitend grüßen läßt
Genesis noch
heute ertränkt sich mein Durst im
Meer dieser Sehnsüchte die
ziellos suchen die
endlos warten erläuft
sich einen Weg aus Stein im
See dieser rastlosen Zeit noch
gestern ergab sich mein Sein der
Fessel deiner Arme die
raubend hielten die
haltend raubten erlag
die Rose den Dornen am
Ufer der haltlosen Zeit noch
morgen erkämpfst du dich mir auf
dem Himmelbett deiner Angst die
kampflos erliegt die
aufgebend siegt und
auf dem Weg zurück zum Ich gebärt
sie unsre Zweisamkeit
Sein
... ich -
für Brigitte Karrim ich
war einst
so unverraten und bedeutungslos wie ein
vergessenes Fragezeichen das unachtsam liegenlassen
worden war sich nicht einmal mehr
serpentinenhaft zu seinem verfremdeten Anhängsel
jenem bruderlosen Endpunkt seines
Selbst zurückschlängeln durfte ich
bin jetzt
buchstabenhaft eifersüchtig auf das
erste Wort dieses Satzes intensiv beschäftigt
mit seinen Gedanken über mich verliebt
auch in das erste Wort auf
dieser Seite der Gedanke den
du gerade denkst und gar die
Bedeutung dieses und aller Sätze die
ich gerade schreibe und die mich schreiben ich
werde für
dich dann existent sein können wenn du mich liest
und erst dann wirst du als Leser dieser
Zeichen sein können mich als Gelesenes vereinnahmen
und deinen Vorstellungen entsprechend manipulieren
dürfen während ich dich bereits gedanklich bearbeitet
und revisionistisch überlagernd deine
Sterblichkeit durch meine Unvergänglichkeit individualisieren
konnte denn ich war
durch dich was ich einst nicht hatte bin
wegen dir was ich nicht sein durfte werde
für dich was ich weder haben noch sein werde
Bedingungswelten wenn in
dem Schweigen meiner Worte deine
Stille ruhend verblaßt aus
den Sehnsüchten meiner Träume sich
deine Illusionen spurlos verrauchen mit
den Schreien meiner Zweifel sich
deine Stimme erstickend verschluckt auf
den Windungen meiner Gefühle deine
Beteuerungen irrend zergehen dann zerrinnen
die Bahnen deiner Unzulänglichkeiten verfahren
sich im analysierten Wirrwarr eines
längst verdorrten Seelenlabyrinths sagen
beim Abschied weder Tschüß noch Servus verschwinden
ins Nichts wo
sie wieder aufs Neue sie
selbst sein können
Zwischenstation wie
lange noch werde ich hier sitzen
dürfen mir in den mondleeren Nächten
eine Sonne erträumen können so
heiß und so hell wie einst die
Momente vor dem ersten Kuß so
schwitzend und so prickelnd so
ganz und verkrochen in mich doch
bleibt mein Verweilen stets nur
ein kurzer Augenblick der Hast die
mich vergessen läßt und die mich
vergißt in den Zweisamkeiten zwischen
Füller und Briefbögen nein
vermißt werde ich nicht denn
meine Abschiede sind gar lang schon
ertrunken in den Feierlichkeiten die
Gelage eurer verfrorenen Gesten rahmten
mir ein letztes Abschiedsfoto so
rankend lächerlich so anklagend stumm
wie das reifende Gestein der Häuser
in denen ihr seit jeher haust
Die
Zukunft lauert -
für uns doch
vor mir liegt ein Übermorgen ein
Heute gar dieses Gestern von Morgen ruht
ausgetrunken vor meinem Hunger auf
Ferne auf Grenzen ohne Schranken sucht
mich wegzudrängen aus diesem Hier einem
Schuttabladeplatz der Zeit wo Seelen
Frieden kaufen mit fremden Leibern aus
denen die Kinder von morgen schreien es
ist eine Verzweiflung die um mich schlägt mich
umzingelt und als Geisel entläßt sie
nimmt sich als Arzt aus und verschreibt mir
dir eine Wirklichkeit aus Irrealität bezahlen
soll ich jene Bemühungen mit Silberlingen
deren Glanz dunkel leuchtet einen
Weg erhellt dessen Abgrundlosigkeit sich
im Heute verliert und im Übermorgen begegnet
Er gefangen
im Raum der Erinnerungen der
mit Eis und Kälte angefüllt gekettet
im Licht der Schattenseiten eines
Erbes aus Elternlosigkeit ertränkt
in Ängsten und Sehnsüchten geschlagen
von Erziehungspraktiken so
starrt er mich an sieht mir entgegen dieser
Mann aus Gestern und Einst seine
Züge tragen meinen Namen meinen
Namen aber kennt er nicht er
weiß um meine Nebensächlichkeiten das
ganze Bild jedoch verschweigt sich ihm seine
Tage bestehen aus Entsagungen er
lebt für Geschichte und Vergangenheit seine
Nächte sind ein geträumtes Zelt Träume
ein geschlossenes Labyrinth gestern
durfte ich ihn gehen sehen ohne
Abschied ohne wirklich fortzugehn er
schrieb sich ein ins Poesiealbum auf
die Narben meiner Abwesenheit was
mir bleibt von ihm sind Jahrestage fern
einer Heimat ohne Zeit und Ort sind
Bilder die ach so schnell verblassen viel
zu schnell um je Bestand zu haben das
einzige Bild was wirklich geblieben malt
sich mir blaue Finger und Lippen eine
Farbe die zwar Glauben verspricht doch
sagt mir keiner woran und an wen ich
will ihn nicht kennen noch erfahren will
nicht länger in seinem Schatten gehn will
das Schreckensbild verdrängen und dann die
Fragen unbeantwortet lassen
Autobiographien -
für Diane Schallert im
Schweigen ihrer Worte verliert
sich das Rauschen der
Lüftungsanlage gelegentliches
Rascheln und
sanftes Bewegen der
mit Worten angereicherten Seiten ihrer
scheinbaren Persönlichkeiten dringt
unterschwellig zumindest
an mein mitlesendes
Ohr selbst
das Stricheln ihrer
Schreibgeräte kommt
kratzend wie Schieferngriffel an
meine mithörenden Augen und
hier und da blicke
ich auf und versuche vergebens
aber desto intensiver den
Ort des doch so angenehm ablenkenden
Geräusches in
seinen Grundmauern zu verfestigen und
hin und wieder rollt
ein sanftes überraschendes Lächeln an
meine lesende Seele und
scheint mit seinen Fragwürdigkeiten auf
verspätete Antworten zu hoffen
Vorbeilauschen
-
allen Ohren im
Zuhören rauschen sie gleitend
an mir vorbei Stimmen,
die mal blond, mal braun, nie
schwarz, doch wohl dunkel und hell manch
tönend, selten säuselnd versinken
wie nebenher wie
seltene Gäste auf
ihrer ewigen Durchreise die
flüsternd hereinschweben um
wieder abklingend zu weichen ohne
Abschied ohne Gruß wie
der schrille Pfeifton eines
Schaffners auf den vereinsamten
Bahnsteigen der
im gegenseitigen Rauschen allem
Zuhören entgeistert
Kanzlerwiesen -
für dich, wen denn sonst mit
deinen Augen hast du dich versprochen hast
mir zugesehen um
mich anzusehen mit
deinen Händen hast du dich verraten hast
sie mir schützend beschützend
gereicht und
in deinen Armen hab ich mich verschenkt hab
mir meine Angst da
drin versenkt
Per
Anhalter unsagbar
fein zogst du die Narben grubst
dich mir ein in Rissen und Spalten ein
neues Ich entstand dir zu gefallen nur
dir daselbst ein Spiegelbild zu sein mit
meinem Herzen hieltest
du den Wetzstein feucht mit
meinem Verstand gabst
du dir den letzten Schliff dann
segnetest du deine eiteltragende Ernte während
ich als bracher Acker liegenblieb du
zogst weiter auf deinen Wegen auf
denen immer nur du Platz zu haben schienst und
du gingst mit dir fort ohne
dich auch nur einmal umzusehen ohne
überhaupt Abschied zu nehmen bilderlose
Fragmente in Schwarz und Grau was
mir blieb war ein Mosaik dessen
Fugen deinen Namen buchstabieren so
gänzlich zusammenhangslos so
ganz ohne Farben was
ich blieb waren Wunden und
ein paar davon Narben
Gaben -
für Leonhard nichtsbeladen
so gänzlich in jener Verschmückung eingepackt
in Verstecken so besonders äußerlich ausgesperrt
weil verkleidet verfremdend nebensächlich jedoch
genaugenommen und dann jäh absichtlich Geschenke
Ansichtssache wozu
verhalten wir uns eigentlich so verhaltensgestört
im Eigenen ohne Anderes
zu sehn Anderes
zu hörn stets
nur auf Verdacht bedacht und sich ewig nur
rein betrachtend vor anderem umsehn so
rezeptiv so
präskriptiv fehlt
da was oder ist dort gar etwas futsch was
eh nie uns gehörte uns nur so schien
Gestohlene
Momente sie
sprechen zu mir mit Worten die
meine Sprache nicht erahnen kann zeichnen
mir neue fremde Bilder deren
rahmenlose Weite ich nicht erfasse und
dann auch sie ihre Künstlerin deren
einnehmendes Wesen Worte sprach die
meine Seele mit Sanftmut streichelten bei
der ein jeder huschender Blick ihrer Augen ein
Etwas in mir mit Liebkosungen kleidete der
Wünsche und Sehnen bannte und fesselte und
mich selbst Ewigkeiten später nicht mehr lassen wollte
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