Unterwegs C 6. Zwischenstation

    

     dir gab ich mein Ich

     ohne jeglichen Vorbehalt

     und du zogst dich an

     mit meiner Unschuld

     die dir paßte

     wie angegossen

    

 

Schattenhaftes Unterwegs

oder:    sich aus Angst vor dem Regen

ins nächste Gewässer stürzen

- für Gabriele Eckart

 

warst mal wieder glänzend abwesend

irgendwo dort und fernab

von all dem Anwesend und Hier

natürlich erst recht nicht

denn dort ist ja nun mal nicht hier

ist nicht einmal mehr da

 

warst umso weiter umso ferner

hattest immer mehr Weite gesucht

dich hat die Ferne versucht

 

im Abseits deines Jenseits

konntest du entfernt deiner Fremde

begegnen dich in ihr verlaufen

so vollkommen abgelegen so total

befremdend Ferne eintauschen

 

heute läufst du ihr nach dieser

Ferne die näher liegt als dein Dort

willst zurück zur Nähe und Ferne tauschen

dabei ist die alte Nähe so abwesend

geworden wie deine Anwesenheit

 

Aufgedeckt

 

wieso warst du

so wie du warst

wie du so warst

wieso du warst

 

immer so verspielt so beängstigend

frei und unbekümmert inmitten all

der vielen Einschränkungen und den

Verwirrungen die uns zweiend im

Alltag ihren Freizeiten verschlossen

 

unserer Seelenfahrt ihr Ziel raubten um

ihren Seelenwillen nicht zurückzufinden

 

stets andersartig und fremd wie

die heimatlosen Einwanderer aus

schattenlosen Nächten die sich

auf dem Wege in ein Anderswo

stolpernd den Weg zu mir verlieren

 

wieso überhaupt

wieso und warum

und wieso du

 

Differenziertes Duzen

 

Du

ist für mich klein

sehr winzig und gebunden

entflieht mit meiner Tinte

und sagt beim Abschied immer nur

Auf Wiedersehen

weil es zu dir redet

aber nicht mit dir spricht

 

du

das ist für mich groß

das ist so wahnsinnig erregend

geht unter die Haut und lebt dort

weil es mit dir redet

von dir erzählt und von mir

und immer nur aus uns spricht

 

Angelschein für einen Fisch

 

in den Zwiespälten deiner Neurosen

verlaufen sich die Unstimmigkeiten

einer längst überlaufenen Verzweiflung

türmen sich Fragezeichen zu Bergen

auf hinter denen sich in Abgründen

und tieflang ausgespülten Hirnrissen

die einst wütenden Seelentäler

so moorig und ach so schlammig

brodelnd dem neuen Fraß entgegen

wallen und rollen und wiegen

 

während deine Rastlosigkeit

weiterhin deinen Seelenfrieden

versucht nur um besuchend

ihren Abschied einzureichen

 

Fragt sich nur: "Für wen?"

 

du wolltest immer nur das Beste

so wie es die übermännliche Fraulichkeit

deines diktatorisch einnehmenden Wesens verschrieb

und blutverschmierend ritztest du es ein

auf die weiße Weste meiner Jungfräulichkeit

während du beim Verschreiben deiner Neuordnung

den Poeten in mir zum Analphabeten

deiner nur dir eigenen Sprache machtest

 

und jetzt hocke ich hier wie verlernend

vor einer Erfahrung deren Birkel-Buchstaben

eine mir verfremdende Sprache als Suppe servieren

so gänzlich abgestanden und erkaltet

und mein zielerstrebendes Herumstochern

in den Löchern deiner hohlen Verschwörungen

das gleich einem Sieb als Löffel

immer nur Teile deiner Sprache erfischt

während dein Bestes mich fragend

wenn auch auf ganzer Linie einnehmend

allein und entsprachlicht verläßt

ertrinkt lautlos im Zerstochenen

 

Tapetenwechsel

- einer Künstlerin

 

offen gestanden

bist du dir doch schon selber

seit vielen Jahren

mehr als genug

bist weit mehr als nur

jenseits von Selbstbetrug

 

gehst deine eigenen Wege

realisierst deine eigenen Ziele

aber dann so unbestellt

so ganz aus heiterem Himmel

läuft sie dir über den Weg

 

jemand dunkelhaarig

und aufgeschlossen

eher in sich

als zu dir gekehrt

und so erfrischend fraulich

 

nichts Außergewöhnliches

oder Weltbewegendes

müßtest du dir eingestehen

wenn du ehrlich zu dir selber wärst

 

aber du

schaust dich an

und du legst es ab und fort

dein altes Image ab

und dann erschaffst du

ein neues

nur für sie

 

e Snaib = a snipe

- auch das sei Sprache

 

DU hattest DICH mir beschrieben

und ich konnte nicht anders

 -- wollte ich auch sonst nicht

und wurde DIR durch DICH verschrieben

gleich einem Rezepte

das wohlwissend

 -- geflissentlich

man verschreibt zu heilen

selbst wenn Heiles

keiner Heilung bedarf

nur um dann das Heile

heilbarer zu machen

 

DICH hattest DU mir verschrieben

und im Umschreiben

DICH selbst zu beschreiben

                        -- schriebst DU dann DICH

 

und jetzt

hocke ich hier

 -- wie ein beschriebenes

Häuflein Schrift

und versuche

vergeblich stets aufs Neue

 

die zerebralen Runen

                         -- eingeritzt

 

auf meiner Seele

zu deuten

                                                 -- lesend

zu schreiben

 

Sabine

 

mein Schweigen brüllt dich an

flüstertest du

doch vergeblich

lausche ich erwartend

der vorbeirauschenden Stille

vernehme lediglich im Huschen

des Augenblicks

deines stillen Besuches

die widerhallenden Fragen

meiner angstvollen Zweifel

und dann entschwingst du

auf den Flügeln

deiner betrügerischen Nebensächlichkeiten

 

läßt mich wieder einmal

allein mit meinen Fragen

die in der Stille deiner Abwesenheit

sich vor Übersättigung

genußvoll rülpsen

und dann lautstark

in meinem Schweigen Zuflucht suchen

 

(V)eräußerter Monolog B (V)erinnerter Dialog

oder: Umgekehrte Spiele

- für Sabine Haupt

 

und du, fragst du dich auch so manches Mal

wie wir uns fanden? und wer fand denn wen?

     warst du es, die mich

     oder ich, der Dich --

als wir zu allein mit uns selber war=n

jeder für sich ein steuerloser Karr=n

 

dich trieb die Lust, der Reiz, das Verwöhnen

mich trug ein Sehnen, ein Schmerz des Schönen

     du warst es, die mich

     verliebte in dich

als du mich die Angst vergessen ließest

und dich dann innerlich von mir entferntest

 

bald darauf folgte dem Entfernen Flucht

du vergaßt mich am Ende in meiner Sucht

     du warst es, die sich

     und ich wars, der mich

entgleiten ließ, um dann mit anzusehn

wie weh Abschied tut ohne wegzugehn.

 

Frau alias Lust

 

wenn im Träumen einer Sehnsucht

das Heimweh nach dem Morgen

sich tröstend verpflichtet und

wenn aus der Stille deiner Worte

die Bilder zu den Rahmen

unserer Leinwände entschwinden oder

wenn im Ausatmen einer Schwere

die Sehnsucht nach neuem Leben

sich erdrückend entschwebt und

wenn auf der Reise deiner Zeit

die Zukunft ihrem Jetzt

sich nacheilend verschweigt

 

dann sei - gleich einem Namen

ihr Ziel - ahnend

in einer uferlosen Ferne

der Fülle eines Nichts

in der ruhelosen Stille

deines verschlafenen Erwachens

 

stets aufs Alte

erneut und erlebt

nur mit dem Neuen

vergerbt und dann

gleich sei dann

irgendwo

 

in der Rumpelkammer

meiner Erinnerungen

im tresorgleichen Schweigen

meines Selbstverzichts

so falsch wie eh

so fatal wie je

der Steinbruch einer Seele

ihr eigener Sprengmeister

 

32 Grad Fahrenheit im Schatten

 

aus Furcht vor mir

entsagte ich dir

nahm Hut und Stock

und erlief mich mir

 

doch du kamst mir nach

liefst mir weiter vorweg

wie mein Sein dem Ich

diesem Schatten im Licht

 

Einkehr

oder: Himmel über Pittsburgh

- für Amy

 

Gehaltenwerden erträumte sich dir

als Freundschaft eines Sehnens

erlebte sich in dir durch mich

und vergrub soziale Wahrheiten

lief ihnen einfach Weg auf und davon

und versteckte sich dabei einkehrend

in so unscheinbaren Zwischenräumen

 

in einem von ihnen da hockst du nun

tust beschäftigt um wie beiläufig zu

erklären du hättest Langeweile

und möchtest sie bei mir verweilen ihr

enteilen und andere Zuflüchte

suchen Halt finden und Geborgenheit

dann aber auch behaltend verbergen

 

und ich frag mich was du wohl denkst

was du hier fühlst auf engem Zwischenraum

träumst du dir gar was ich mich frag denn

ich darf nicht denken was ich fühlen kann

soll nicht fühlen was so begehrend scheint

nur träumen darf ich dich mir erträumen

und würd dich dabei doch so gern halten

 

Liebesgruß

- für Esther

 

bei weichem Licht ich saß

an einem Tische irgendwo

in einer Ferne irgendwann

las in Zufallszeilen mich und

ein Wind war und ging und raunte

und umgab die Gegenwart mit

einem Flüstern das wie flüchtig

deinen Namen mir verschrieb

 

mit leichtem Herz ich las

in den Klängen deines Rufens

fühlte lautlos in Erinnerungen

sehnsuchtsvoll ein Klopfen kommen

 

saß schweißbedeckt und wartete

dem Echo deiner Wärme entgegen

immer wieder harrend bangend

saß ich im Schatten deiner Ferne

 

ließ mich treiben wie vor Tagen

als dein Licht mein Dunkel wärmte

 

sieh du ihm nach

dem weichen Licht

und vergib mir

meine Abwesenheit

 

Ostergruß

- für Esther

 

geboren werde ich an allen Orten

an denen sich mein Ich begegnet

in einem Augenblick

in einem Blick

dort wo meine Augen verweilen

ob gelegentlich und kurz

so scheinbar nebensächlich

ob beflissentlich und lang

gar hungrig doch und durstig

 

geboren werde ich in jenen Zeiten

in denen sich mein Selbst verliert

in jenem Empfinden

in jenem Finden

das stets nur dich zu halten sucht

so wie der Wind in den Haaren

sausend und brausend

so wie das Licht in deinen Augen

wärmend und werdend

 

Rhetogik ... bis in den Tod

 

kann jemand der nie wegging

überhaupt je zurückkommen

und wird einer der nie kam

uns auf ewig fernbleiben

 

sind Fragen die sich selbst beantworten

am Ende doch besser ungestellt

und Geschichten die sich selbst erzählen

ein Zwischenraum, der nur ausgefüllt

 

tut Sprachliches egal wie nebensächlich

sich immer nur erst durch Worte kund

und entgleitet dieses dein Versprechen

nicht nur geflissentlich deinem Mund