Unterwegs C 7. Zwischenstation

    

     und immer wieder

     suche ich dich

     in dem von mir Versuchten

     erstrebe deine Nähe

     in ihrer glanzlosen Anwesenheit

    

 

Einschlafen

 

diese Nacht sie schmeckt heut

grad heut so salzig und riecht

nach dir die du weit entfernt

sie steht draußen in Dunkel verkleidet

erbricht sich hier und dort

über meinem Haupte und spricht

mit ihren funkelnden Sternen

 

drinnen tobt ein mörderischer Kampf

zwischen einem Nichts und einem Etwas

von dem das Eine deinen Namen zeichnet

während das Andere dein Streicheln flüstert

und zwischendurch da liege ich

mitten dazwischen in diesen Bergen

aus Erinnerungen auf einer Talfahrt

in deinen verwunschenen Beischlaf

 

im Draußen verbreitet sich weiterhin

das Dunkel das sich versteckt

vor der Nacht und uns so nah bringt

das seine Nächte mit Melancholie ziert

und seinen Saum in Dämmerung kleidet

um uns befallend zu gefallen die wir

ihr Salz auf nackter Haut erschwitzen

 

Mein Wind

- für Boris G.

 

dein Rauschen umnachtet

meine verlorenen Gedanken

die suchend wie du

einem Einst davonlaufen

einem Morgen entheucheln

 

dein stilles Wehen verliert

sich in den Tagträumen

meiner blindwütenden Sucht

nach einem Mehr

nach einem Zuhause

 

deine Geräuschkulissen umgeben

uns meine Erinnerungen und mich

zehren ohne Vergebung

an meinem falschen Lachen

an eurem frivolen Gelächter

 

so verhallend frisch und neu

so unbeständig überraschend

in deiner ewigen Wiederkehr -

bringst du außer Nachrichten

eigentlich auch mal etwas Neues

 

so verwirrend und ängstlich

so betörend ehrfurchtsvoll

sah ich dich nie zuvor -

ahne dich jedoch immer aufs Neue

entschwindend das ewige Weite suchen

 

Zweideutig eindeutig

- allen Sprachkritikern

 

vertraut sie mir so frage ich mich

oder hat sie nur Vertrauen zu mir

denn Dank meiner Zweifel da bin ich

gewöhnlich gern von bearbeitenden

Vorgängen befallen und suche

drum in Ausflüchten mein ewig Weites

 

schon ihr Inneres so beseelt und versteckt

räumt mein Suchen hinfort und erweckt

Anschein und Verhältnisse und läßt schließen

es gelte letztlich der Ausverkauf

denn mir reichen sieben Tage Liebe nicht

ihr reicht sieben Tage Lieben nicht

 

darum bleibt Distanz ein ewiger Kontrast

in Form und Farbe und in Weile und Hast

will sie gar den einen Schlußpunkt ziehen

oder vielleicht nur einen Schlußstrich setzen

so bleibt wie einst aus Mangel an Lust

ein Lüsten das mangels Liebe stirbt

 

Verbotenus

 

was ist aus euch

durch mich geworden

was aus mir durch

euch geworden

was aus uns durch uns

als wir

noch unsere Väter

sahen unsere Söhne

naiv reflektierend doch

ungerührt empörend

was ist geworden?

 

aus euch und mir wurde

was

aus uns

aus

 

Zeit - los

- für Reinhild

 

das war für mich ein Gestern denn

vorgestern liegt zu weit zurück

es versteckt sich im Dunkel will

partout nicht ans Licht nicht hervor

kriecht irgendwo in mir drin und

nagt schwelend an meiner Kindheit

 

das war auch Versteckenspielen

blinde Kuh Räuber und Gendarm

mit Brüdern und Schwestern spielen

mit Geschwistern balgen zanken

Haue und Prügel beziehen

wie andere eine Zeitung

 

das war ein Prickeln ein Hasten

ein Schwitzen vor dem ersten Kuß

dann der Duft einer großen Welt

die man stets nur heimlich genoß

der Rausch einer verlorenen Nacht

die den Morgen brummend grüßte

 

die Zeit das war einmal das war

so lange her so lang vorbei

verloren unterwegs nach Jetzt

nach Heute nach Hier und Morgen

 

Zeit

oft verstorben

häufig verdrängt

und dann vergessen

 

Raubbau mit sich selbst

oder: Vaters Haushalt auflösen

- für Ingo Stöhr

 

hier ist nicht dort

wo du deine Kindheit verpackst

sie in Auseinandersetzungen

und so vermenschlicht verwirrend

mit Fragen verklebst

durch Abschied verschnürst

sie auf Dachböden

hinterläßt so ausgesondert

stets links und wohl geordnet

verstapelt und entglitten

 

denn dort ist es ja da

ist ja Platz genug und

immer wieder immer reichlich

so entrümpelst du

die Zimmer deines Gestern

während heimlich und so überfüllt

die Rumpelkammer

- deine Seele -

stöhnend die Verfremdungen lädt

 

Kurzaufenthalt in W.

oder: Zwischenstation einer Rückkehr

- für GUI

 

Hast verlor sich hier in Weile

ohne vorbeizuschaun, ohne hereinzusehn

ließ Fragen nach Wohin und Wozu

langsam durch schwerelose Verwirrung ziehn

ergoß sich gar so entladend so schwer

riß Wunden auf die man längst verheilt dachte

brachte sie doch auch Menschliches hervor

oder schien zumindest Trost zu spenden

rief ein vielleicht letztes Erinnern wach

nur um gleich brutal wieder Abschied zu nehmen

selbstbeladen mit Wünschen nach Ferne

trieb Ruhelosigkeit gelassen ihr Unwesen

rief scheinbar vergessen Banales hervor

aus gemeinsamen Erinnerungen an neulich

suchte traumwandelnd entzweifelt nach Einst

siebte Wachgerufenes hier lediglich gegenständlich

entschlief dann jäh, bloß um später wieder einzuholen

 

KURSI

oder: Freunde

 

kamst tanzend in mein Leben

achtend und gebend und

immer wieder liebe ich dich wie ich nur dich lieben kann

unglaublich stimulierend warst du denn

wo ich dich traf da brauchte ich dich und

erst viel später erkannte ich

rezitativ den Philosophen in dir der so

achtlos sich selber gab und noch immer gibt

lernend mich stets aufs Neue lernen läßt durch

Propheten und Philosophierendem die nur durch dich

hilfreich und helfend Beistand leisten

selbst wenn man außer sich ist und

Hilfe mehr zu einem Wort mit vier Buchstaben wird

erlösend warst du mit deiner Ironie

erheiternd mit deiner endlosen Satire

löstest du gar manche nagenden Zweifel

einfach auf in leere Gewissensbisse wie einst

Yankees und Südstaatler durch ein Dekret

in deiner Gegenwart ließ es sich gut leben, ja leben

nahmst du doch nie mehr als ich dir gab

gabst dafür dich und deinen pädagogisierenden Rat

obwohl du selbst gar über WIE und WOHIN zu zweifeln schienst

 

Immer noch, immer mehr

oder: Warten auf den Häusermakler

 

wir

die wir einst uns selber schworen

uns dann im Nachhinein

gegenseitig verschworen

den Nebensächlichkeiten unseres Lebens

unser Leben als Treue zu verpfänden

vergaben doch nur

uns dann im Vornherein

stets nur den Anderen

doch ergab sich auch

dabei

lediglich und beflissentlich

es ergab sich

nur Einer

während der Andere

nur den Anderen

vergab

 

schließlich verblieb

bei all dem Geben

dem Selbstflüchtigen

 

vom Gebliebenen

überm Vergebenen

zum Begebenen

 

nichts

rein gar

nichts

 

außer meinem

nie gegebenen

Vergeben